Wer sich etwas mit Journalismus beschäftigt oder sich einfach nur an seine Schulzeit erinnert, der kennt die Bedeutung der W-Fragen. W-Fragen klären auf, beleuchten Dinge, öffnen Diskussionen, können hinterfragen, erklären, anzweifeln und wenn man sie intelligent formuliert, verändern diese auch nicht selten genug Zielrichtungen. Fragen sind also unglaublich wichtig! 😉
Diese Fragen, bezogen auf meine Fotografie, beschäftigen mich schon seit Anfang des Jahres. Neben einer beruflichen Veränderung (ich musste in Q2 den Hauptjob wechseln, aber Details sind nicht wirklich wichtig), sind diese Gedanken hauptsächlich der Grund, wieso es so still geworden ist um meinen Blog. Aber vorab schon mal, es wird nicht wieder einen „Neustart“ wie in 2012 geben. Blognotiz.de bleibt weiterhin mein privates Blog mit meinen Gedanken rund um die Fotografie. Und nur weil ich weniger blogge, fotografiere ich ja nicht zwangsläufig weniger. Ganz im Gegenteil, ich freue mich fast schon wöchentlich auf eine neue Rolle (Kodak) Film.
Es gibt halt immer wieder Phasen im Leben, die Potential zur Veränderung mitbringen. Man sollte das nicht ignorieren, gerade in der Fotografie nicht. Und darum geht es mir. Ich hinterfrage die Fotografie auf allen meinen persönlichen Ebenen. Warum auch nicht?! Ich glaube nämlich, es ist viel wichtiger zu wissen warum man (etwas oder jemanden) fotografiert, als das ganze technische Gedöns drumherum. Und vielleicht geht’s dem ein oder anderen da draußen ja auch so. Daher würde ich gerne in meinem Blog laut darüber nachdenken, wohin mich einige dieser W-Fragen vielleicht führen könnten und möchte daher ab und an mal einige Impulse aus diesem Prozess mit euch teilen. Es wird keine fertigen Antworten geben. Aber es könnten vielleicht hilfreiche Impulse mit dabei sein. Vielleicht…
Momente
Um was geht’s uns denn allen, vor allem in der Fotografie? Sind es nicht die einzelnen Momente die zählen? Vermutlich mehr als uns lieb ist. Die Momente unseres Lebens sind nicht selbstverständlich. Und schon gar nicht die Menschen um uns herum. Auch wenn wir behaupten noch unzählige Augenblicke vor uns zu haben, die Zeit wird uns eines Besseren belehren. Ob man das nun möchte oder nicht. Und so sehr ich das auch ignoriere, keine einzige Sekunde in meinem Leben ist der anderen gleich. Kein einziger Moment wiederholt sich. Alles vergeht! Alles stirbt…nach dem Leben. Daher ist Leben kostbarer als wir glauben. Jeder Moment ist ein Schatz und die Erinnerung daran meistens wertvoller als wir vermuten.
Warum schreibe ich so pathetisch?
Die Frage ist, ob ich aufmerksam und dankbar genug bin für diesen einen Moment, der nie wiederkommt. Aber versteht das nicht falsch. Ich rede nicht davon, an der Vergangenheit zu kleben und die Gegenwart zu vernachlässigen. Das was war kann ich nicht ändern und das was noch kommen wird, ist eben noch nicht da. Das Leben passiert! Heute! Punkt! Daher braucht es auch unsere volle Aufmerksamkeit. Denn jeden Augenblick den ich verpasse, den habe ich tatsächlich einfach nur verpasst! Und verpasste Momente sind nun mal einfach mega, mega doof! Aus fotografischer Sicht sowieso. Wieso sollte ich das Ganze also schön reden?! 🙂
Aber was hat das mit Fotografie zu tun?
Für mich persönlich richtig viel. Denn Fotografie ist für mich der verzweifelte Versuch, die Zeit anzuhalten. Diesen einen Moment einzufrieren der nie wieder kommt. Diesen Schatz an Erinnerungen mitzunehmen. Man kann nämlich nicht nur aus der Vergangenheit lernen, man darf und sollte sich auch daran erfreuen und das am liebsten auch noch in 100 Jahren.
Einfach „nur so zum Spass“ zu fotografieren wäre zwar auch legitim, aber für mich persönlich ist das manchmal zu wenig. Ich will das was „dahinter“ steckt mit Leib und Seele verstehen und begreifen, fühlen und behalten. Daher habe ich mich auch entschieden in meiner Welt der Fotografie hauptsächlich analog zu bleiben. Natürlich müssen die Negative digitalisiert werden, damit ich sie euch zeigen kann. Aber mit dem analogen Negativ in der Hand behalte ich tatsächlich diesen Moment für mich. Unverfälscht, authentisch und so wie ich es gesehen habe. Außerdem macht mich der ganze analoge Fotokram unglaublich an. Das hat Photoshop bisher noch nie geschafft. Das klingt vielleicht absurd, aber welcher Künstler ist schon „normal“?! 🙄
Warum fotografiere ich?
Kommen wir zu der zweitwichtigsten Frage der W-Fragen. Warum! Mit der Fotografie kann ich Zeit einfrieren. Das ist meine Superkraft! 😉 Ich meine, wie cool ist das denn?! Einzelne Momente, die nie wiederkommen, die aber auch manchmal nicht planbar sind, darf ich mit in meine Zukunft nehmen. Das ist ein Privileg und nicht selbstverständlich! Aber ich höre sie schon, die Stimmen die sagen: „Ernsthaft Ivan?!„.
Und ja, ich weiß! In einer Welt, in der jeder Grundschüler ein Smartphone besitzt, mit dem man fotografieren und die Fotos auch gleich online stellen kann, klingt meine These schon mehr als realitätsfremd.
Und ja, in der Tat, laut einer Schätzung von „Kleiner Perkins Canfield & Byers“ wurden im Jahr 2013 etwa 1,2 Milliarden Fotos über soziale Netzwerke und Apps wie Facebook, Instagram und Snapchat hochgeladen und geteilt. 1,2 Milliarden Fotos pro Tag wohl gemerkt!!! Das sieht ausgeschrieben genau so aus: 1.200.000.000! Und pro Sekunde sind das 5 Millionen Fotos! Und auf’s Jahr hochgerechnet sind das alleine für das Jahr 2013 stolze 438 Milliarden Fotos gewesen.
Bitte schliesst einmal die Augen und stellt euch diese Zahl mal in ausgedruckten 10x15cm Fotos ausgebreitet auf dem Boden bildlich vor und staunt! Man könnte mit 438 Mrd. Fotos im 10x15cm Format exakt 608333 DFB Fussballfelder bedecken.
Aber…
Und dennoch bleibe ich dabei. Mit der Fotografie besitzen wir eine Möglichkeit, einen Moment der Gegenwart mit in die Zukunft zu nehmen. Hier greift eines meiner Lieblingszitate von einem meiner Lieblings Musiker, der übrigens auch ein begnadeter Fotograf ist (Bryan Adams): “Ohne Bilder wüssten wir doch gar nicht, wie unsere Vergangenheit ausgesehen hat.„
Es spielt nämlich keine Rolle, wie viele Fotos es bereits um mich herum gibt oder was schon alles fotografiert wurde. Viel wichtiger ist, wie viel dir selber diese Möglichkeit bedeutet, fotografieren zu können und welche persönliche Note du diesem Foto geben kannst. Fotografie ist immer persönlich und subjektiv. Und natürlich ist die o.a. Statistik etwas irreführend. Denn nicht alles, was eine Kamera besitzt, produziert tatsächlich auch echte Fotografie. Daher behaupte ich mal, obwohl schon alles auf der Welt geknipst wurde, ist noch nicht alles fotografiert worden 😉
Antworten
Die „Warum fotografiere ich?“ Frage ist sehr persönlich. Meine Antwort passt vermutlich auf keinen anderen Fotografen und jede einzelne Begründung ist legitim. Aber viel wichtiger als „die“ Antwort darauf zu finden ist meiner Meinung nach, sich diese Frage immer wieder zu stellen. Wenn ich meine Beweggründe kenne, läuft und fotografiert es sich leichter. Ich bin mir sicher, die Qualität der Fotos wird dadurch ansteigen und sinnlose Knipserei evtl. abnehmen.
Bei jedem Foto, bei jeder Gelegenheit….
Warum machst du das, was du gerade tust? Warum fotografierst du?
3 Kommentare
Kommentieren →Punkt! Hätte ich nicht besser beschreiben können. Und deine Superkräfte sind sehr genial ausgeprägt! 😉
Danke sehr Oli für deine netten Worte 🙂
Es stimmt einfach, was Du schreibst – da braucht man nicht viel dazu zu schreiben.
Ich kann aus meiner persönlichen Erfahrung vielleicht ergänzen, dass für mich die Fotographiererei auch ein Ansporn ist „rauszugehen“, die Schönheiten der Welt nicht nur im Vorbeigehen zu konsumieren, sondern aktiv nach dem Schönen Ausschau zu halten. Seitdem ich wieder (analog) fotographiere hat sich mein Blick auf meine Umgebung geändert. Und ich ampfinde das als Bereicherung.