Meine Damen und Herren, verehrtes Publikum, meine hochgeschätze Leserschaft, mesdames et monsieur,
ich möchte etwas wichtiges mitteilen: Nikon stellt heute eine neue DSLR für den Einstieg in die hochwertige Vollformatfotografie vor. Traraaaaaaaaa: die D610!!!
Gut, zugegeben, mein gewählter Ton lässt etwas Sarkasmus vermuten. Das kann ich nicht leugnen. Aber ich versuche nun fortan gefasst und nüchtern zu schreiben. Ehrlich…versprochen! 😉
Angeregt durch Jörg’s Artikel zu diesem neuen Nikon Gehäuse verspührte ich in mir ebenfalls den Drang mal kurz öffentlich darüber zu schreiben und meinem leicht angestauten Nikon Frust wenigstens etwas freien Lauf zu lassen.
Als ich heute Nikon’s Ankündigung zur D610 per Email erhielt, war ich aufgrund der schon vor Wochen brodelnden Gerüchteküche zur D610 nicht wirklich überrascht. Aber ich fragte mich doch ernsthaft, was da Nikon eigentlich macht. Bin ich doch als jahrzehntelang zufriedener „Nikonianer“ fast schon blind, aber immer enthusiastisch und stets durch Nikon’s konstante Qualität bestätigt dem „Nikon Weg“ gefolgt, wurde ich durch den Kauf der D600 und die damit verbundene Enttäuschung durch DAS „Staubproblem“ doch etwas ernüchtert. Und nun die D610. Nikon kocht wohl auch nur mit Wasser und möchte nur Umsatz machen. Welch Überraschung! Ich weiß. Aber mittlerweile verdienen wohl die Leute in der Marketing Abteilung offensichtlich mehr Geld, als die technikentwickelnden Ingenieure.
Versteht mich nicht falsch, meine D600 ist genial, sie ist liebreizend, schnell, angenehm leicht, professionell zuverlässig, faszinierend im Dynamikumfang und berauschend in der Rauscharmut. Und verglichen mit dem großen Murren im WWW wurde ich vom Staub- und Ölproblem fast schon verschont. Fast! Denn obwohl die letzte Sensorreinigung erst etwas mehr als 1000 Klicks her ist, gleicht mein Sensor doch eher dem Sommersprossengesicht von Pippi Langstrumpf. Aber dennoch, ich gebe meine D600 nicht mehr her. Sie ist und bleibt unangefochten mein Favorit in Sachen Bildqualität. Es ist mehr Nikon’s offensichtliche Unfähigkeit, die mich aufregt. Ein latentes Unvermögen, das einzig und allein Kundenunzufriedenheit mit sich bringt. Ein fast schon beschämendes Leugnen eines simplen technischen Problems. Und statt den geraden Weg zu gehen und auf jeden einzelnen registrierten D600 Besitzer zuzugehen, wählt Nikon den populären Weg des geringsten Widerstandes: es wird „plötzlich“ ein verbessertes Model, die D610 herausgebracht. Mich würde ja interessieren, wieviel effektive Stunden an technischer Entwicklung Nikon da investiert hat. Wahrscheinlich benötigte die Werbekampagne der D610 mehr Zeit, als die Entwicklung und Produktion der D610 zusammen. Eine farce ist das!
Die D610 ist ja nun weder eine Revolution, noch eine Überraschung. Sie gleicht der D600 fast 1:1, wenn man mal vom Schriftzug und der marginal schnelleren Serienbildgeschwindigkeit oder dem vermeintlich leisen Serienbildmodus absieht. Dass der Weißabgleich der D610 verbessert wurde, wage ich zu bezweifeln. Meine D600 jedenfalls trifft diesen nahezu immer perfekt. Hätte Nikon die jüngst patentierte zu- und abschaltbare AA-Filter Funktion bereits in die D610 mit eingebaut, würden sehr wahrscheinlich mehr Fachleute applaudieren. Und ich hätte vermutlich schon längst einen Antrag auf Budgetgewährung bei meinem Finanzminister gestellt 😉 So hingegen entlockt die aktuelle Nachricht zur D610 selbst dem informierten Hobby Fotografen nur ein müdes Gähnen, maximal jedoch ein leichtes Schmunzeln über Nikon’s Naivität. Jetzt mal Hand auf’s Herz: wer ist denn tatsächlich von der D610 begeistert? Wer, der sich wirklich auskennt?! Die ohnehin auf technisch hohem Niveau arbeitende D600 wurde mit der D610 in meinen Augen nicht verbessert. Ganz im Gegenteil, der höhere Preis der D610 scheint im Vergleich zu der noch im Fachhandel für unter 1500,- EUR neu erhältlichen D600 für potentiell Interessierte bezüglich des Preis- Leistungsverhältnisses ein absolutes KO Kriterium zu sein. Und wenn man mal die Tatsache berücksichtigt, dass wahrscheinlich nur ein prozentual geringer Anteil der umlaufenden D600 Gehäuse von dem anfangs erwähnten Problem betroffen sind, ist das Risiko fast schon verschwindend gering. Mut zur Tat, sage ich da nur. Falls man denn Geld an der richtigen Stelle sparen möchte.
Nikon’s Marketing Schachzug mit einem Nachfolger die aktuelle Staub- und Öl Problematik der D600 damit unter den Tisch zu kehren, ist in meinen Augen nicht nur ein ehrliches Armutszeugnis der betriebenen Kommunikationspolitik, sondern auch vielmehr eine deutliche Stellungnahme, wie Nikon mit dem aktuellen Kundenstamm, im Speziellen den D600 Besitzern verkehrt. Ich hätte mir jedenfalls eine offenere und kundenorientiertere Strategie gewünscht, doch stattdessen lässt Nikon nun mehr Raum für die Konkurrenz zu. Denn ein geplagter D600 Besitzer wird wohl kaum ein upgrade auf die D610 durchführen.
Bravo Nikon! Marketing ist wohl alles!
12 Kommentare
Kommentieren →Tja so ist das nun mal mit Japanischen Firmen. Fehler einfach zugeben können Sie nicht, den dann würden Sie ja ihr Gesicht verlieren.
Wobei, es ist noch ein bisschen komplizierter, aber das sprengt den Rahmen eines Kommentars 😉
ich erlebe das fast täglich und werde es nie verstehen.
Hallo Frank, da sprichst du wohl etwas Wahres an. Aber ehrlich gesagt bezweifle ich stark, dass ein europäischer Konzern anders gehandelt hätte. Evtl. nicht so naiv wie Nikon. Es kann ja auch sein, dass wir verkorksten Europäer noch nicht so weit sind, Nikon zu verstehen. 🙂
Betriebswirtschaftlich war es wohl der verzweifelte Versuch des kleineren Übels, die verloren gegangenen D600 Umsätze wieder herein zu holen. Würde mich nicht wundern wenn die interne Buchhaltung die Umsätze aus den zukünftigen D610 Verkäufen unter denselben D600 Posten verbucht. Aber so funktioniert nun mal die freie Marktwirtschaft. Schade nur, dass Nikon nicht ehrlich genug ist und nun den Schritt zur D610 als „Kundenorientierung“ verkauft.
Ein sehr schön geschriebener kreativer Artikel. Hab ihm mit viel Schmunzeln gelesen und kann ihn uneingeschränkt unterschreiben… 🙂
Wie Frank so schön schreibt, geht es den Damen und Herren ja in erster Linie darum, ihr Gesicht zu wahren. Nur leider ist der Schuss nach hinten losgegangen. In nahezu JEDEM Blog/Internetseite (selbst bei den „großen“) stand gestern geschrieben, dass Nikon faktisch gepflegte „Problembeseitigung“ mit diesem „neuen“ Modell betrieben hat. Also im Grunde hat es wirklich auch der allerletzte Idiot nun kapiert und eigentlich alle lachen über die spektakuläre neue Kamera mit den bahnbrechenden Features die wahrscheinlich ein Praktikant noch schnell in die Firmware gehackt hat.
Leider hast Du auch Recht darin, dass der Kunde in zunehmendem Maße nur noch eine abstrakte Zahl ist und keinen mehr wirklich interessiert. Und der absolute Gipfel war eigentlich, dass ich von Nikon noch die tolle Mail über den Release der neuen Kamera erhalten habe. Das war der pure Hohn.
Dankeschön Jörg. Mir brannten diese Worte gestern förmlich auf der Seele, geschrieben habe ich den Artikel auf dem Heimweg in der Bahn. 🙂 Da hat sich Nikon echt ein Ei ins Nest gelegt.
Zu Nikon’s gestriger Email. Da ich wusste, dass Nikon mich nicht persönlich kennt und somit auch nicht weiß, dass ich ein D600 Besitzer bin, ein geplagter sogar, habe ich die offensichtliche Verspottung und den verbalen Schlag ins Gesicht beim Lesen der Betreff Zeile einfach ignoriert. Tatsache bleibt aber, Nikon braucht dringend einen guten Imageberater 😉 Ein guter Schritt in Richtung Kundenbindung wäre aus meiner Sicht übrigens, wenn Nikon den aktuellen D600 Besitzern ein Upgrade Angebot offeriert. Ideal wäre natürlich ein kostenfreier 1:1 Tausch auf die D610. Einen Preisnachlass von 95% würde ich aber ebenfalls dankend annehmen. Da würde ich sogar meine D600 dazu geben. 🙄 Mal sehen, wie lange ich die D600 noch haben werde…
Irgendwie erinnert mich das an den großen Apfel: Marketing ist alles.
Gut geschriebener Artikel!
Hey Ivan,
ich habe einen interessanten Artikel auf Gwegner (http://gwegner.de/review/nikon-d610-review-loest-die-neue-das-staub-oel-problem-der-d600/) gelesen. Möglicherweise kannst du den Verschluss an der D600 austauschen lassen. Da gibt es wohl schon die dritte Generation. Und laut Gunther scheint das Problem mit dem Sensordreck damit behoben. Kannst ja mal beim Nikon Servicepoint in Sprendlingen anrufen oder vorbeifahren, wenn du das Problem nicht in den Griff bekommst.
Liebe Grüße,
Flo
Danke dir Flo, das werd ich auch nun in Angriff nehmen. Bin gespannt.
Viel Erfolg, Ivan. Bin mal gespannt, was bei rumkommt.
Also ich weiss nicht was die Leute mit dem Staub und der D600 meinen. Ich wechsle sehr oft Objektive und ich habe bisher NULL Staubproblem bei meiner 600. Ich achte halt drauf wie ich die Kamera halte wenn ich das Objektiv abnehme….vielleicht ist das die Ursache? Ich habe auf jeden Fall kein Staubproblem und kann solche Aussagen nicht nachvollziehen.
vg
Hallo Frank, Danke für dein Kommentar und herzlich willkommen auf meinem Blog. Du hast natürlich vollkommen recht, dass die Art und Weise, WIE man ein Objektiv wechselt, mit Sicherheit eine Rolle spielt und mit eine Ursache für Staubpartikel auf dem Sensor sein kann. Es freut mich auch zu lesen, dass es auch D600 Gehäuse gibt, die nicht von diesem Problem betroffen sind. Aber bei dem „Staubproblem“ der D600 ist es tatsächlich auch bauartbedingt. Nikon hat ja die Ursache offiziell benannt und bietet bei betroffenen Modellen auch den Wechsel des Verschlussvorhangs als Lösung an. Es gibt mittlerweile schon die dritte Generation des Verschlussvorhangs für die D600. LG Ivan
Dritte Generation? Ohje 😉
Ich habe meine erst seit nem halben Jahr. Sprich ich könnte schon die aktuellste Generation verbaut haben.
Leider sieht man oft Leute auf Fototerminen die Ihr Objektiv wechseln und dabei die offene Kamera mit der Öffnung nach oben!! halten. Da muss man sich nicht wundern wenn der Sensor verstaubt ist 🙂
vg
Frank
[…] meiner “Ode an die D600” und der darin enthaltenen Kritik an Nikon zur D610 sprach ich zwar noch davon, dass ich […]