Gedanken zu meinem ersten analogen Steetfotografie Workshop

Da sitze ich nun Sonntags im Wohnzimmer, im Hintergrund dudeln 80er Jahre Hip Hop Klassiker aus dem Lautsprecher und ich schreibe an einem Blog Artikel über meinen ersten Workshop. Ein  Workshop, der vor drei Wochen stattfand. Ein Workshop, bei dem ich mal kein Teilnehmer, sondern der Workshopleiter war. Ein Workshop mit einem ziemlich speziellen Thema. Ein Workshop, der einfach nur mega cool war. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto schöner finde ich diese Erfahrung die ich machen durfte. Aber eins nach dem anderen….

Intro

Mitte des Jahres, kurz nach meiner Ausstellung in Nürnberg, bekam ich eine Mail von der photoklassik-akademie.de mit der Frage, ob ich mir  vorstellen könnte mal einen Workshop über analoge Streetfotografie in Frankfurt zu halten.

kurzer Exkurs:
Wer die Photoklassik-Akademie nicht kennt, sie „…vermittelt ambitionierten Fotografen mit Workshops, Reisen und Fotokursen die analoge Fotografie in all ihren Facetten.“ Die Macher hinter dieser Akademie sind auch diejenigen, die maßgeblich in den letzten 6 Jahren das deutsche Magazin über analoge Fotografie namens „Photoklassik“ oder seit Neuestem auch den  internationalen englischsprachigen Ableger „Photoklassik International“ (ich berichtete) erfolgreich herausbringen.

All das sind hauptsächlich gute Gründe gewesen, wieso ich mich überhaupt auf dieses Workshop Thema eingelassen habe. Denn ich wusste, da waren Jungs die schon mächtig viel Erfahrung auf dem Gebiet der Informations- und Wissensvermitllung im Bereich der analogen Fotografie gesammelt haben. Daher war ich überzeugt davon, dass ich da mit meinem Thema – die analoge Streetfotografie – ziemlich gut hinein passen würde und wir uns gegenseitig sehr gut ergänzen könnten. Ich fing also mit den Vorbereitungen an, sammelte brainstorm-artig Ideen und nach und nach wuchs mein einfaches Konzept für meinen Workshop. Ein Konzept das nicht nur interessierten Fotografen die Streetfotografie, sondern vor allem auch die analoge Fotografie näher bringen wollte. Kurz nach der Photokina in Köln begannen dann auch schon die ersten Maßnahmen, diesen Workshop in den sozialen Medien publik zu machen. Die Veranstaltungsseite mit allen wichtigen Infos wurde kräftig geteilt und ich habe dann noch zusätzlich Flyer hier in Frankfurt in Fotofachgeschäften ausgelegt. Schlussendlich fanden sich dann 6 Teilnehmer und damit war der Kurs erfolgreich belegt.

der Abend vor dem Workshop

Wer mich kennt, weiß dass ich eine sehr ruhige und gelassene Art habe, auf Stress zu reagieren. Man sieht mir auch nicht wirklich an, wenn ich gestress bin. Ein einfaches Prinzip, welches mir in fast jeder Situation, die hektisch oder stressig ausfallen kann richtig hilft gesund damit umzugehen, ist das „Balu Prinzip“ 😉 Aber der Abend vor dem Workshop hat mich ehrlich gesagt schon ein wenig aufgewühlt. Ich war nervös, aufgeregt und hippelig. Das war fast so wie vor dem ersten Date mit meiner großen Liebe. Da will man einfach nichts falsch machen! Kennt ihr, oder?!

das Wochenende: den Samstag…

verbrachten wir Vormittags in Bockenheim im Cafe Crumble (heißer Tipp: der Kaffee ist da  grandios!) Dort haben wir beim Frühstück, persönlichen Austausch und eben dem theoretischen Teil des Workshops eine sehr schöne Zeit miteinander gehabt. Ich sprach über meine Sicht der analogen Fotografie und der Streetfotografie als solche. Wichtig war mir vor allem das Thema der Ethik, weil ich persönlich sehr großen Wert auf gegenseitige Wertschätzung lege. Ich möchte weder mit meinen Worten, noch mit meinen Fotos andere Menschen schlecht oder herabwürdigend darstellen. Ganz im Gegnteil! Ich denke, wenn wir uns gegenseitig mehr wertschätzen würden, wäre die Welt ein Stückchen besser.

Darübehinaus sprachen wir sehr viel über die verschiedenen analogen Filme und im Speziellen über den JCH Streetpan 400 von Bellamy Hunt aka japancamerahunter.com. Wir sprachen auch darüber, wie man korrekt belichtet. Wir haben uns externe Handbelichtungsmesser von Gossen angeschaut und über die verschiedenen internen Belichtungsmesser in der Kamera unterhalten, sowie die jeweiligen Unterschiede bei der Belichtung von Negativ- und Positiv- (Dia) Filmen betrachtet. Denn wenn man bisher „nur“ digital unterwegs war, muss man bei der Belichtung von analogen Filmen umdenken. Analoge Filme belichtet man anders, als digitale Sensoren.

Natürlich kamen Themen über unsere alten Kameras nicht zu kurz und ich erklärte auch, warum und welches Kamera Sytem in der Streetfotografie mehr Vorteile als andere hat. Wir haben uns über den Autofokus, das manuelle Fokusieren und natürlich auch über die hyperfokale Distanz und in diesem Zusammenhang über die Zonen-Fokus Methode unterhalten.

Welches Werkzeug aka Kamera System man schlussendlich in der Streetfotografie benutzt, ist zwar relativ Wurst, aber das was  man benutzt, sollte man im Schlaf beherrschen. Denn was das Thema Foto-Equipment und -Technik angeht, bin ich ein Riesen Fan von dem folgenden Gedanken darüber, den David duChemin in einem seiner vielen Bücher mal dick und fett erwähnte:

Je weniger wir unsere technischen Mittel beherrschen, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir zwar Sätze hervorbringen, aber keine Poesie erschaffen.

Apropos technische Hlfsmittel, diese kamen dann im zweiten praktischen Teil auf der Strasse zum Einsatz. Ich habe den Teilnehmer Aufgaben mitgegeben, die sie dann fotografisch und in einem zeitlichen knappen Rahmen von 30 bis 60 Minuten umsetzen mussten. Eine davon ist die „10 No challenge“. Das Ziel hierbei ist es, Passanten zu fragen, ob man sie fotografieren darf und sich 10 „Körbe“ zu holen.

Bei dieser Aufgabe ging es mir weniger um das Fotografieren, als mehr um den psychologischen Effekt des sich Näherns an fremde Menschen. Erstaunlicherweise ist es nämlich genau das, was den meisten Anfängern in der Streetfotografie Sorge und manchmal sogar Angst bereitet. Auf fremde Menschen zugehen, um sie ungefragt zu fotografieren. In Deutschland kommt dann wohl kulturell bedingt zu den normalen menschlichen Annäherungsängsten zusätzlich noch die große und in meinen Augen leicht absurde Frage dazu, ob man das überhaupt darf. Daher ist es am Anfang umso wichtiger, auf die Leute zuzugehen und sie einfach um Erlaubnis zu fragen. Interaktion ist das A und O, wenn es darum geht Menschen zu fotografieren.

Wenn man also erst mit kleinen Schritten anfängt und fremde Leute auf der Strasse fragt, hat man schon mal eine sprichwörtiche Distanz zu ihnen überbrückt und bekommt dadurch auch ein größeres Sebstvertrauen für weitere Aktionen. Und der Gedanke, dass man ohnehin „nur“ eine Absage erhalten will und nicht schon das Foto, baut auch schon mal vorab einige Ängste ab. Probiert das ruhig mal aus.

das Wochenende: den Sonntag…

verbrachten wir in einem Filmlabor, dem Charlie Engel Lab 2.0 in Mainz. Ehrlich gesagt kannte ich Charlie bis dato noch gar nicht, die PhotoKlasski Akademie kooperiert aber schon längere Zeit mit ihm. Ich war sehr angenehm überrascht, nicht nur über seine warmherzige und sehr sympathische Art. Sein Nachname ist Programm. Aber ich war auch wirklich erstaunt, dass so ein kleiner und netter Laden ganz in meiner Nähe überhaupt existiert. Dort kann man nämlich nicht nur seine Filme entwickeln lassen, man erhält auch analoge und digitale Papier Abzüge und die Negative werden mit einem Fuji Frontier Scanner auch hochwertig digitalisiert. Ein Besuch lohnt sich da definitiv.

An diesem Sonntag hatten wir mit den Teilnehmern ein volles Programm vor uns. Neben dem Darstellen und Näherbringen des kompletten analogen Workflows – Filme in (Tetenal) Chemie entwickeln, Negative auf (in unserem Fall Tetenal Mutigrade) Papier vergrößern und Negative richtig scannen und am PC in Lightroom bearbeiten – hatten wir glücklicherweise auch hohen Besuch da. Jürgen Heiland, der Geschäftsführer der Firma Heiland electronic GmbH kam zu Besuch und brachte uns in einem praktischen Workshop das Heiland Splitgrade System an einem Leica Focomat V35 Vergrößerer näher.

Was ist denn das Heiland Splitgrade System?

Wenn man noch nie mit einem analogen Filmlabor in Berührung gekommen ist und sich bisher noch nie mit der Welt der analogen Fotografie beschäftigt hat, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass ihr hier nur Böhmische Dörfer versteht. Daher will ich an dieser Stelle auch nur kurz die Beschreibung des Systems von der Website des Herstellers zitieren. Wenn man schon länger analoge Negative auf Papier vergrößert und daher um den Aufwand weiß, hilft einem dieses System nicht nur Zeit, Nerven, sondern auch Papier und Chemie zu sparen. In einfachen Worten ist das Heiland Splitgrade System ein richtig MEGA colles Zeug!

Zitat Hersteller:
„Splitgrade erleichtert und beschleunigt das Anfertigen von hochwertigen Schwarz-Weiß Fotos auf Multigrade Papier.Durch einfaches Messen von Lichter- und Schattenbereichen des projizierten Negativs bestimmt der Anwender zunächst Kontrast und Helligkeit auf dem Vergrößerungsrahmen.Für über 20 vorgegebene Papierkalibrierungen wird dann auf 1/10 Blenden- und Gradationsstufe genau ein erster Vorschlag für die richtige Belichtung gerechnet.Durch die einzigartige Filtersteuerung mit Verschlussfunktion werden diese Werte automatisch in eine geteilte (Split) Belichtung umgesetzt.“

Fazit

Die Rückmeldung der Teilnehmer war durchweg sehr positiv und es hat allen dazu noch eine Menge Spaß gemacht. Ich durfte tolle Fotografen kennelernen und hatte das Vorrecht, ihnen meine Sicht der Dinge mit Hilfe der anaolgen Streetfotografie näher zu bringen. Mein persönliches Fazit ist simpel: ich bin glücklich und zufrieden über das Feedback und die Ergebnis der Teilnehmer. Daher habe ich mich entschieden, diesen Workshop in 2019 wiederzuveranstalten. Ich plane drei Termine, 2x Wochenend-Workshops und einen Samstags-Workshop (ohne Filmlabor). Nähere Details dazu werden hier im Blog und auch in der „Events“ Sparte auf meiner Website zeitnahe veröffenlticht.

das Schlusswort

Falls Du es bis hierher geschafft hast, bewundere ich dich dafür. Ich selber kann solche langen Texte meistens nur in 2-3 Anläufen komplett durchlesen :mrgreen: Danke daher für deine Zeit und Aufmerksamkeit. Ich weiß das wirklich zu schätzen. Zum Schluß gibt es hier noch einige visuellen Eindrücke vom Workshop. Danke an Marwan El-Mozayen, der während des Workshops diese Bilder produziert hat.

5 Kommentare

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So so… jetzt bist du also auch unter den Coaches gelandet. Zurecht! 😉
Ich finde ja den eigenen Lerneffekt als „Trainer“ viel höher als der als Teilnehmer. Weil als Trainer muss man sich ja vorher wirklich tief tief mit dem Thema beschäftigen.
Eine kleine Anmerkung hätte ich: David duChemin’s Satz “Je weniger wir unsere technischen Mittel beherrschen, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir zwar Sätze hervorbringen, aber keine Poesie erschaffen.“ sehe ich genau anders herum. Je weniger ich mich mit der Technik beschäftige, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass ich eine Bildpoesie erschaffe. Eben weil ich mich nicht mit der Technik beschäftige sondern einfach den P-Deppen-Modus verwende. Meine Meinung. Muss nicht die richtige Meinung sein.

Moin Oli, Danke sehr für deine Worte 🙂 Und ja, ich kann dir nur zustimmen, der Lerneffekt als Trainer ist viel höher. Dadurch macht es aber auch umso mehr Spass, weil die Lernerfolge intensiver sind.

Zu dem Zitat, ich glaube wir denken beide in die richtige Richtung. Ich für meinen Teil kann nur vermuten, wie es David duChemin gemaint haben könnte. Grundsätzlich denke ich mir ist es wie mit den Regeln in der Fotografie. Um diese brechen zu können, muss ich die Regeln vorher erst mindestens kennen, wenn nicht sogar beherrschen. Oder schau dir einen Pianisten an. Um frei spielen zu können, ist es zwingend notwendig die technische Seite des Klavierspielens zu beherrschen. Oder begnadeten Schriftstellern sagt man auch das folgende nach: „Genie ist ein Prozent Inspiration und neunundneunzig Prozent Transpiration.“ Das kreative Handwerkszeug setzt immer Fleiß voraus. Ob die prozentuale Verteilung wirklich mathematisch so genau ist, wage ich mal zu bezweifeln, aber ich denke die Tendenz ist ausschlagebend.

Es klingt absurd, um etwas zu vergessen, muss ich mich erst mal damit beschäftigen, damit ich es kennenlerne. Und ich persönlich glaube, dass deine Interpretation des Zitats der Schritt nach meiner Interpretation ist. Insofern sind wir auf der gleichen Wellenlänge. Aber das Thema können wir gerne im Februar näher beleuchten 🙂

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