Heute ist Sonntag und ich sitze am Fenster, trinke Kaffee und denke über einiges was mich bewegt nach. Ein Thema, das mich regelmäßig berührt ist die Frage, warum ich analog fotografiere. Und ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich kann diese Frage nicht mehr hören. Jedenfalls die sinnlosen Diskussionen über das Für und Wider, die meistens damit verbunden sind. Eine analoge Kamera zu benutzen und einen analogen Film damit zu belichten, diesen Film dann selber zu entwickeln ist nicht besser oder schlechter als der digitale Weg. Eine digitale Kamera zu verwenden, um dann die digitalen RAW Dateien daraus in Lightroom oder Photoshop oder einem anderen Bildbearbeitungsprogramm in .JPG Fotos zu entwickeln, ist eben nur anders.
Es ist und bleibt nur ein anderer Workflow mit anderen Werkzeugen. Die Tatsache, dass meine Arbeit mittlerweile analoger ist und vielleicht auch nostalgischer wirkt, macht das Ganze zwar sympathischer, aber am Ende des Tages kommt es auf das Ergebnis an und dass man damit zufrieden ist. Dass ich persönlich glaube, dass die digitale Fotografie gar keine Weiterentwicklung der analogen Fotografie ist, hilft dem Ganzen aber auch nicht weiter und ist auch ein ganz anderes Thema.
Mein Schritt in Richtung analoge Fotografie schien für viele ein Rückschritt. Oft hab ich gehört, wie sinnlos und wie umständlich es sei, analog zu fotografieren, da man am Ende sowieso zum Scanner greift. Es scheint für einige „Youngsters“ tatsächlich absurd und unverständlich, dass man einen dermaßen langen und komplizierten Weg bis zu einem Foto geht, nur um am Ende dann doch eine .JPG Datei in den sozialen Medien verbreiten zu können. Da könne man doch auch gleich zur digitalen Kamera greifen.
Ja natürlich kann man das. Aber ich will das nicht, jedenfalls nicht immer. Außerdem ist es ja nur eine Möglichkeit. Dass eben der hybride Ansatz nur ein Weg ist, Bilder zu zeigen, haben sie nicht verstanden. Wie auch, sie kennen die Altenativen nicht, sie haben noch nie was von einem Labor, von Chemie und Nostalgie gehört. Und ja, analoge Negative auch analog zu vergrößern wäre tatsächlich einfacher und schließe ich damit ja auch nicht aus. Aber auch das haben sie nicht verstanden. Und dennoch, ich bleibe dabei. Ich mag den hybriden Weg analog zu fotografieren und in Chemie zu entwickeln, um dann die Ergebnisse zu digitalisieren. Wie sonst sollte ich die Bilder in Facebook, Instagram & Co. zeigen?!
Die Frage wieso man analog fotografiert und eben die damit verbundenen Diskussionen bin ich einfach satt. Wieso ist es so wichtig zu wissen, wieso man analog fotografiert?! Wäre die Frage, wieso man überhaupt fotografiert nicht viel spannender?!
Aber unabhängig davon, ich kann mich nicht daran erinnern, wann mich das letzte mal eine SD Karte oder meine Lightroom Software so zufrieden und glücklich über meine fotografische Arbeit gemacht haben. Ich habe endlich wieder das Gefühl, einen Zugang zur künstlerischen Seite der Fotografie entwickeln zu können. Ohne das ganze Pixel-Gepiepe und Photoshop Gedöns. Authentisch und echt, was auch immer das für einige bedeuten mag. Und selbst wenn ich zu meiner digitalen Kamera greife (ja, ich fotografiere auch noch digital, warum denn nicht?!) hat mich die Welt der analogen Fotografie verändert. Ich sehe nun anders, ich reagiere effizienter, ich habe plötzlich das Gefühl, Licht zu verstehen und glaube manchmal auch wrklich, diesen Moment den ich mir in meinem Kopf vor dem Abdrücken ausgemalt habe, nun auch wirklich in Form eines Bildes produzieren zu können.
Aber ist das nun der ultimative Weg für jeden? Nein, mit Sicherheit nicht! Ich kenne Fotografen, die digital angefangen haben, sich eine Zeit lang intensiv mit der analgen Fotografie beschäftigten und dann feststellten, dass sie digital bessere Ergebnisse erzielen können. Konsequenterweise wurde das Analoge dann komplett aufgegeben. Das habe ich schon öfter gesehen und finde es auch vollkommen legitim. Jeder ist doch individuell gestrickt und setzt damit auch unterschiedliche Schwerpunkte.
Verrückt, aber manchmal muss man ein paar Schritte zurückgehen, um voranzukommen. Und manchmal sind diese vermeintlichen Rückschritte gar keine Rückschritte! Wichtig ist, dass man selber die Richtung bestimmt, um voranzukommen.
Wie gesagt, es sind nur ein paar Gedanken an einem tristen Sonntag…
5 Kommentare
Kommentieren →Toll geschrieben, Ivan, und ich bin so bei dir! Da gibt es einfach kein richtig und kein falsch, kein besser oder schlechter…
Ich habe auch schon lange aufgehört, mich zu rechtfertigen, aber irgendeiner versucht ja immer, in diese Richtung zu drängen 😉
Viele Grüße!
Conny
Danke sehr und ja, da hast du recht liebe Conny, rechtfertigen muss man sich ohnehin nicht. Aber es ist beruhigend zu lesen, dass es anderen Fotografen ähnlich geht 🙂
Hi Ivan ! Komisch, ich bin noch nie gefragt worden warum ich sechsundvietzig Jahre analog Fotografiere . Und wenn ,dann ist es so. Keine Rechtfertigung dafür,schließe mich meiner Vorgängerin an. Aber toll geschrieben von dir. L. G. Wolfram
Hi Wolfram, Danke! Und ich glaube da darfst du dich glücklich schätzen, dass du bisher solche Diskussionen nicht führen musstest. Wobei diese manchmal doch recht amüsant sind.
VG, Ivan
Hallo lieber Ivan,
ein toller Beitrag zum immer noch aktuellen und polarisierenden Entweder…oder? Ein Mix aus digital und analog -sei es in der Kommunikation, im Bereich Design, in der Fotografie oder in anderen Umgängen wäre auch eine Lösung – selbstverständlich abhängig vom individuellen Geist und subjektiven Gusto!
Merci!